Uniklinik Dresden

Nachgefragt im UKD- Ossilinchen trifft die Akutpsychiatrie

Diese Woche ist ein spannender Artikel in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht worden. Der Titel lautet „Unbehandelt ist diese Krankheit eine Katastrophe“.
Der Rapper Kayne West erklärte, dass er an einer bipolaren Störung leidet. Nach seinem „Outing“ gaben mehrere andere Prominente bekannt, dass sie ebenfalls daran leiden.

Der Psychiater Prof. Michael Bauer ist Klinikdirektor der Psychiatrie am UKD und kennt Patienten wie Kayne West seit Jahrzehnten. Er hat eine Leitlinie zur Behandlung von Patienten mit bipolarer Störung entwickelt. Einen kleinen Abriss des Artikels möchte ich dir hier geben, denn er ist wirklich sehr spannend.
So beschreibt Prof. Michael Bauer, dass Patienten mit einer bipolaren Störung zwischen euphorisch- manischen und depressiven Episoden schwanken. Etwa jeder Hundertste sei von dieser Krankheit betroffen. Ein Facharzt kann in der Regel eine sehr sichere Diagnose stellen. Prof. Michael Bauer sagt auch, dass es sehr wichtig ist, dass die Menschen mit Symptomen zum Arzt gehen. Daher findet er es auch gut, dass sich so viele Promis „outen“, das Thema gerät in den Fokus der Gesellschaft.
Ca. 10 bis 15 % der Betroffenen begehen Suizid. Eine Behandlung ist daher für Patient und die Angehörigen wichtig. Ein Drittel kann mittels Medikamenten geheilt werden, bei einem weiteren Drittel kann die Krankheit deutlich abgemildert werden.

Dass vor allem manische Phasen auch sehr gefährlich sein können, das zeigen Beispiele von Prof. Bauer: manche Menschen in einer manischen Phase stürzen von einem Brückengeländer ab, weil sie meinen, darauf balancieren zu können. Andere verschulden sich wegen eines Sportwagens und rauschen mit 200 Sachen über die Landstraße.

Woher die Krankheit kommt, dass weiß man nicht so genau. Sicher spielen die Gene eine Rolle aber auch Umwelteinflüsse kommen hinzu.

Abschließend möchte ich Prof. Bauer noch zitieren und dieses Zitat verdeutlicht auch mir das Ausmaß der Krankheit:

Die Patienten leben wie auf einem Ozean. Meistens ist der ruhig und auf einmal, völlig unvorhersehbar, entsteht ein Wellengang, bei manchen ist es ein Orkan.

Prof. Michael Bauer- Leiter der Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am UKD

Heute wird es also einen ganz spannenden Einblick in ein Fachgebiet geben, welches mir selber nicht so geläufig ist. Viele haben sich gewünscht, dass ich mal einen Einblick in die Akutpsychiatrie gewähre. Genau das wird heute auch der Fall sein, denn ich habe mich mit der Pflegedienstleitung Frau Hebert und der Stationsleitung der PSY-S1 (Akutpsychiatrie) Schwester Petra getroffen.

Wie immer konntet ihr Fragen stellen, die ich mit ins Gespräch genommen habe.

– Mit welchen Krankheitsbildern sind die Patienten auf Station?

Mit Queer Beet allen psychiatrischen Krankheitsbildern, die mit einer Fremd- oder Eigengefährdung einher gehen.
Beispielsweise suizidale Patienten, psychotische Patienten aber auch schwerst depressive Menschen, Patienten mit stark ausgeprägter Demenz oder auch Borderline Patienten.

Auch Straftäter mit polizeilicher Begleitung waren bereits hier. Das ist dann der Fall, wenn es noch keine Einweisung in die Anstalt/ Haft gibt.

Auch nicht selten sind Menschen mit einem frühkindlichen Hirnschaden, die aus einer Einrichtung kommen (beispielsweise ein Pflegeheim), die operiert werden müssen. Für eine chirurgische Normalstation ist der pflegerische Aufwand nicht händelbar, aus dem Grund sind diese Patienten zum Teil auch auf der Psy- S1.

– Wie alt sind die Patienten, die hier sind?

Von 18 bis 120 🙂 ….oder älter!

– Wie lange ist ein Patient in der Regel auf Station?

Das ist ganz unterschiedlich und schwer zu sagen. Von wenigen Stunden bis hin zu über einem Jahr war da schon alles dabei. So lange Aufenthalte ergeben sich daraus, dass manchmal nicht die passende Einrichtung gefunden werden kann bzw. die Suche sehr lang dauert.

– Wie sieht der Tagesablauf für einen Patienten aus?

Einen groben Fahrplan gebe ich euch mal mit. Natürlich darf man nicht vergessen, dass manche Dinge auch einfach individuell nach Zustand des Patienten verlaufen.

Um 7 Uhr werden die Patienten geweckt, gegen 7.45 Uhr gibt es dann Frühstück. Natürlich schwankt auch diese Zeit, denn manche Patienten können sich alleine waschen und anziehen, manche brauchen Unterstützung und andere wiederum müssen pflegerisch komplett versorgt werden. Der Auftrag der Psychiatrie ist es ja, so ressourcenorientiert wie möglich zu pflegen. Heißt: All das, was der Patient kann, auch wenn es noch so lange dauert, soll und muss gefördert werden. Aber ein stark dementer Patient, mit Demenz im Endstadium ist einfach abhängig von der Hilfe der Pflegekräfte.

Ab ca. 8.30 Uhr kommt die Visite, was zeitlich auch manchmal etwas variabel ist. Ab hier kommt es dann auch etwas auf den Patienten an, was nun kommt. Manche haben Ergotherapie, manche haben Gymnastik auf Station, manche Patienten möchten aber auch gar nichts und sind auf Station „unterwegs“.

11.30 Uhr gibt es Mittagessen und von 12 Uhr bis 13.30 Uhr gibt es das Angebot der Mittagsruhe, welches die Patienten annehmen können aber nicht müssen.

Um 14.30 Uhr beginnt das Kaffeetrinken und zeitgleich die Besuchszeit, die von 14.30 Uhr bis 17.30 Uhr und von 18 bis 19 Uhr ist. Aber auch hier ist das Personal sehr flexibel und macht einiges möglich.

Um 17.30 Uhr gibt es das Abendbrot und danach beginnt wieder „freie“ Zeit. Das klingt so locker flockig aber man darf nicht vergessen, dass es sich hier um eine Akutpsychiatrie handelt. Die Patienten können sich nicht einfach abmelden und gehen. Manche können auf die Terrasse gehen oder gehen mit einer Pflegekraft raus spazieren. Das ist ganz unterschiedlich und muss immer individuell entschieden werden. Allein sind die Patienten dabei aber nie. Ist schönes Wetter und ist es mit dem Aufkommen auf Station vereinbar, dann wird z.B. auch Kaffee auf der Terrasse getrunken oder draußen Abendbrot gegessen.

Tische und Stühle stehen am Rand (nicht im Bild zu sehen) und werden bei Bedarf vor geschoben.

Dort gibt es auch ein Hochbeet, welches Patienten pflegen. Aktuell sind da grad Tomaten, Paprika und Minze, aus der letzte Woche Minzsirup gemacht wurde.

– Was ist ein psychiatrischer Notfall in der Akutpsychiatrie?

Suizidalität und auch Fremdaggressionen.

– Wie sieht das Notfallsystem aus?

Um das Personal zu schützen kann und möchte ich da nicht im Detail drauf eingehen. Ich weiß nicht, wer diesen Beitrag liest und möchte nicht verantwortlich dafür sein, dass das Personal im Ernstfall nicht reagieren kann.

Ich kann euch aber versichern, dass es mehrere Notfallsysteme gibt, ebenfalls regelmäßige Schulungen und Deeskalationstraining. Auch gibt es einen Alarmierungsplan.

– Gibt es ein Fixierbett? Wenn ja, wie sieht es aus und wann kommt es zum Einsatz?

Ja, es gibt ein Fixierungsbett und sogar eine Fixierungsmatratze.
Das Bett bzw. die Matratze kommen nur dann zum Einsatz, wenn es zur körperlichen Eigen- oder Fremdgefährdung kommt. Niemand wird fixiert, um ihn zu „therapieren“. Ich glaube dieser Irrglauben ist in vielen Köpfen vertreten.
Manchmal möchten die Patienten auch selbst fixiert werden weil sie merken, dass sie sonst gefährdend handeln würden. Auch diese Patienten sind dann nicht tagelang fixiert.

Der Vorteil der Fixierungsmatratze ist, dass man die Zeit, in der der Patient fixiert ist, minimieren kann. Das liegt daran, dass diese Matratze beispielsweise in den Time Out Room gelegt werden kann und die Patienten hier schneller defixiert werden können, wenn sie sich (etwas) beruhigt haben. Was der Vorteil im Time Out Room ist, das erzähle ich dir in der nächsten Frage.

Das Fixierbett- wichtig ist, dass kein Kopfteil und kein Fußteil am Bett ist, also das Gestänge am Bett selbst fehlt. Bei der Fixierung handelt es sich um Standardgrößen. In dem Fall würde der Kopf des Patienten links liegen, rechts die Füße und in der Mitte die Hände. Der Brustgrut wird mit den Laschen, die über die Schulter kommen verbunden.

– Gibt es einen „Time Out“ Raum? Wenn ja, was genau ist das und nutzen ihn auch Mitarbeiter?

Ja, den gibt es. Der Raum ist aber für die Patienten bestimmt und wird auch gut angenommen. Der Vorteil ist, dass es sich um einen Raum handelt, der fast komplett Geräusche von außen raus filtert. Es findet eine Reizabschirmung statt. Viele Patienten nutzen diesen Raum freiwillig, wenn es auf Station zum Beispiel zu laut ist. Er ist komplett gepolstert und auch die Liege, die mit drin ist, ist gepolstert. Leider war der Raum belegt, daher kann ich kein Bild zeigen. Eventuell bekomme ich später noch eins zugesendet.

Die Patienten können im Time Out Raum beispielsweise Musik hören, es kann auch ein Sternenhimmel erzeugt werden. Durch die Polsterung können die Patienten auch gegen die Wände Boxen oder Treten, können schreien, sich auf den Boden fallen lassen, alles ohne sich zu verletzen. Es gibt auch einen Vorraum, dieser ist wichtig, wenn Patienten den Raum nicht freiwillig nutzen. Sind Patienten nicht freiwillig im Time Out Raum, dann ist die innere Tür zugeschlossen und eine Pflegeperson sitzt dann im Vorraum, um den Patienten zu beobachten. Diese Pflegeperson ist auch jederzeit ansprechbar. Das ist mit der Gegensprechanlage möglich. Dies ist wichtig, da immer eine Pflegeperson ein Auge auf den Patienten haben muss.

Ist ein Patient freiwillig im Time Out Raum, dann kann er diesen auch freiwillig wieder verlassen, die innere Tür ist daher nicht abgeschlossen.

– Wie kann man eine offensichtlich psychisch erkrankte Person einweisen lassen?

Im Akutfall ist da immer der Rettungsdienst bzw. der Notarzt der richtige Ansprechpartner. Besteht eine akute Gefährdung eines Menschen, weil er zum Beispiel bei Minusgraden stundenlang draußen sitzt und nichts tut oder sieht man, dass sich ein Mensch absichtlich (lebensbedrohlich) verletzt oder wie oben beschrieben auf ein Brückengeländer klettert und darauf balancieren möchte, dann kann man immer die 112 wählen.

Vorsicht walten lassen sollte man aber bei „Eigendiagnosen“, denn nur weil ich denke der Mensch ist psychisch krank, heißt das nicht, dass er es auch ist.

– Wie ist es als Schüler auf der Akutpsychiatrie?

Frau Hebert hat mir mitgeteilt, dass die Schüler fast ausschließlich sehr zufrieden sind und es als angenehme Erfahrung empfanden oder sogar selbst hier arbeiten wollen. Die JAV (Jugend- & Auszubildendenvertretung) am UKD hat auch jedes Jahr ein Ranking anhand von Umfragen bei den Schülern erstellt. Die psychiatrischen Bereiche sind immer unter der TOP 10.

– Was sind die Aufgaben der Pflege in dem Fachgebiet? Worauf kommt es wirklich an?

Vor allem sollte man sehr empathisch sein und eine hohe Beobachtungsgabe haben. Dinge, die auf anderen Stationen wichtig sind, beispielsweise die Blutzuckermessrunde, die Anti Thrombose Spritzen, das Beine wickeln, die Infusionen anhängen sind hier nicht ganz vordergründig. Was nicht heißt, dass es das hier nicht gibt. Das arbeiten ist aber anders. Ich war in meiner Ausbildung in der Akutpsychiatrie, allerdings in einem anderen Haus, als ich noch nicht am UKD war und habe das arbeiten auch als ganz anders wahrgenommen. Hier besteht der Fokus wirklich darin, die Patienten weitestgehend darin zu unterstützen und darin zu befähigen, irgendwann wieder allein und selbstständig leben zu können.

Manchmal kommt es auch auf die kleinen Dinge an. Ich war ja heute selbst auf Station, um mir ein Bild machen zu können. Da tanzte der Pfleger kurz mit der Patientin über den Gang. Sie hat das wirklich gebraucht, da sie vorher den Gang auf und ab gelaufen ist.
Manchmal sind es eben die kleinen Dinge! Aber wie viele da draußen denken, dass in der Psychiatrie ja nur Kaffee getrunken wird und Gespräche geführt werden? So ist es wahrlich nicht. Das arbeiten ist anders, anders anstrengend aber weder einfacher als auf Normalstation noch schwerer. Es ist eben ein ganz besonderes Fachgebiet, für das man gemacht sein muss…. Ich bin es ganz ehrlich nicht. Und so interessant wie der Einblick auf Station war, so froh war ich dann auch, wieder draußen zu sein. Man muss generell immer etwas in Habtachtstellung sein und auch schnell reagieren und umdenken können. So eine Situation habe ich heute live miterlebt.

– Was muss man „mitbringen“ um als Personal hier zu arbeiten?

Neben den gerade schon genannten „Kriterien“ eine hohe Kommunikationskompetenz aber auch eine hohe Kompetenz der Selbstreflektion. Man muss sich immer auch mit sich auseinander setzen und wissen, in welcher Situation es besser ist, einen Kollegen übernehmen zu lassen.

Auch ein gewisses Nähe- & Distanzvermögen ist unabdingbar aber Kreativität und Humor sollten auf keinen Fall fehlen.

Frau Hebert berichtete mir, dass die Bewerbergespräche „anders“ sind als die, die man so kennt. Diese können gern mal eine Stunde oder länger dauern. Das liegt daran, dass es nicht diese typischen Fachfragen gibt. Es geht vielmehr um den Bewerber. Man muss eben für den Bereich gemacht sein und das gilt es auch irgendwo heraus zu finden.

An der Stelle möchte ich Frau Hebert gern zitieren:

Ich habe das beste Leitungsteam am UKD sowie die besten Teams. Wenn jemand gehen sollte, dann nie oder sehr selten aus Frust oder Überforderung, sondern aus persönlichen Gründen. Trotz der besonderen baulichen Situation im Haus 25 schaffen es die Mitarbeiter dennoch kreativ und humorvoll zu sein.

Frau Hebert- PDL Zentrum für Seelische Gesundheit

Die baulichen Bedingungen sind in der Tat eine Herausforderung. Früher war das Haus 25 die Berufsfachschule und das Wohnheim. Seit 1993 ist die Psychiatrie hier. Der Neubau ist aber bereits in Planung.

Die PSY- S1 hat insgesamt 15 Betten, verteilt auf Zweibett- und Vierbettzimmer. Es gibt ein Einzelzimmer, allerdings für Akutfälle.

Das Bett hinten steht oben, da hier bereits ein Zugang geplant ist.

Stationsspezifisch und „besonders“ ist auch der Raucherraum, den es eigentlich so absolut nicht auf Stationen gibt. Dieser ist auch mit einer Kreidetafel ausgestattet, die Patienten können beim rauchen also auch kreativ sein.

Besonders finde ich wirklich, dass trotz des alten Gebäudes so viel wie möglich umgesetzt wurde, damit man den Patienten ein breites Angebot außerhalb der Therapien geben kann. So kann man auf der Terrasse Tischtennis spielen, im Aufenthaltsraum gibt es einen TV oder auch einen Tischkicker.

Ich finde das Fachgebiet wirklich sehr spannend, muss aber für mich persönlich auch sagen, man muss dafür gemacht sein. Mir persönlich fällt es sehr schwer, mit psychiatrisch erkrankten Menschen zusammen zu arbeiten. Für mich fehlt das „greifbare“. Ein schlechtes Blutbild mit allen Konsequenzen oder ein gebrochenes Bein, das sind Dinge, die für mich greifbar sind, offensichtlich quasi. Vor allem der Bereich der Akutpsychiatrie ist nochmal was ganz besonderes und bedarf nochmal besonderer Aufmerksamkeit. Eine Freundin von mir arbeitet beispielsweise in der Psychiatrie und wir haben uns oft über meine Arbeit auf ITS und  ihre Arbeit unterhalten. Sie sagt immer, sie könne sich nichts anderes vorstellen, als die Psychiatrie. Und genau das zeigt mir wieder, wie gut es ist, dass wir Menschen so verschieden sind.
Ich bin der Meinung, dass vor allem die Patienten in diesem Fachgebiet von Personal profitieren, die mit Leib und Seele dabei sind. Genau das ist auch die Rückmeldung, die ich von Frau Hebert und Schwester Petra erhalten habe, man muss ein Herz und eine Leidenschaft für die Patienten haben. Bewundernswert finde ich, dass das Personal der PSY- S1 trotz hohem Arbeitsaufkommen und schweren Krankheitsbildern gut gelaunt, zufrieden und motiviert ist.


Wenn ich dich nun neugierig gemacht habe und du dir wirklich vorstellen kannst, in diesem Fachgebiet zu arbeiten, dann empfehle ich dir eine Initiativbewerbung am UKD. Das kannst du problemlos online machen. Gern darfst du erwähnen, dass du durch mich, Sarah Küttner/ Ossilinchen aufmerksam geworden bist.

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2 replies »

  1. Danke für den tollen Einblick in diesen Bereich der UKD. So interessant die Psyche des Menschen auch ist, genauso gruselig Ist sie manchmal. Was auch immer da im Kopf vorgeht kann eben keiner sehen.

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    • Jap, genau das ist auch so ein Grund, warum das nix für mich ist. Einfach alles unberechenbar 😱 danke für dein Feedback

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